So viel Kraft brauchst du für HYROX. Und wann sie dir eher schadet
Viele Athlet:innen glauben: „Mehr Kraft ist immer besser.“ Doch gerade im HYROX zeigt sich schnell, dass übermäßige Muskelmasse und falsches Krafttraining zur Belastung werden können – im wahrsten Sinne des Wortes. Als ehemaliger Powerlifter weiß ich, wovon ich spreche.
1. Die drei Funktionen von Krafttraining im HYROX
Krafttraining im HYROX ist kein Selbstzweck. Es muss drei zentrale Aufgaben erfüllen:
1. Laufökonomie verbessern
Ein großer Irrtum im Ausdauertraining ist es, nur den „Motor“ zu vergrößern – also z.B. die VO₂max zu steigern. Doch genauso wichtig ist die Bewegungseffizienz. Krafttraining trägt maßgeblich dazu bei, Energieverluste beim Laufen zu minimieren. Besonders durch Verbesserung der intermuskulären Koordination wird dein Bewegungsablauf ökonomischer. Du verschwendest als Resultat weniger Energie in seitlichen Ausweichbewegungen und kommst dadurch schneller und effizienter voran.
2. Verletzungsrisiko senken
Verletzungen entstehen nicht durch zu wenige Dehnübungen oder fehlende Miniband-Routinen. Sie entstehen, wenn die Belastungskapazität von Strukturen (Muskeln, Sehnen, Knochen,…) entweder akut oder chronisch überlastet wird. Krafttraining hilft, die Belastungstoleranz dieser Strukturen zu erhöhen. Es verbessert die Belastbarkeit deines gesamten Bewegungsapparats und reduziert dadurch nachweislich das Risiko für Überlastungsschäden.
3. Kraftüberschuss schaffen
HYROX stellt klare physische Anforderungen – z. B. beim Schlitten, bei Wall Balls oder Farmer’s Carries. Ziel ist es, diese Anforderungen mit einem möglichst großen Kraftüberschuss zu bewältigen. Wer ein maximales Kniebeugen-Gewicht von 300 kg hat, empfindet 200 kg als submaximal. Wer „nur“ 220 kg schafft, muss sich bei 200 kg bereits anstrengen. Die Differenz zwischen deinem Kraftmaximum und der Wettkampfanforderung entscheidet darüber, wie energieeffizient du die Übungen absolvierst. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass man nicht bis in alle Unendlichkeit stark werden muss, um von diesem Effekt zu profitieren.
2. Mehr Kraft hilft – aber nur bis zu einem Punkt
Die Idee, dass unendlich viel Kraft automatisch zu besseren HYROX-Zeiten führt, ist falsch. Der Nutzen von Krafttraining unterliegt einem abnehmenden Grenznutzen:
Anfangs: Kraftzuwächse bringen enorme Verbesserungen in Laufökonomie, Belastbarkeit und Race-Performance.
Mittel- bis langfristig: Zuwächse bringen immer weniger Nutzen. Das Verhältnis von Einsatz zu Ertrag sinkt.
Langfristig: Zu viel Kraft oder Masse kann sogar hinderlich werden.
Gerade als Kraftsportaffiner Athlet ist es wichtig, den Punkt zu erkennen, an dem mehr für HYROX nicht mehr besser ist – sondern kontraproduktiv.
3. Krafttraining ist nicht gleich Krafttraining
Entscheidend ist nicht dass du Krafttraining machst – sondern wie. Zwei Leute können unter dem Namen oder Wort “Krafttraining” komplett unterschiedliche Dinge verstehen. Die meisten verbinden Krafttraining mit Bodybuilding. Doch für HYROX ist das der falsche Ansatz.
Was du brauchst:
Ein neuromuskulär orientiertes Training, das die Verbindung zwischen Nervensystem und Muskulatur optimiert. Ziel ist eine maximale Kraftentwicklung bei minimalem Muskelaufbau. Denn: Jedes Kilo zusätzliche Muskelmasse musst du über 8 km mittragen – und das kostet Energie.
Was du nicht brauchst:
Bodybuilding-orientiertes Training, das auf Muskelhypertrophie und hohe Glykogenverwertung abzielt. Diese Trainingsform sorgt für unnötigen Muskelballast und kann die sogenannte VLAmax (maximale Laktatbildungsrate) erhöhen und das kann deine HYROX-Performance verschlechtern. Denn bei einem einstündigen Race brauchst du einen möglichst effizienten Stoffwechsel – nicht maximale Laktatpower.
Für das beste Gesamtergebnis (Im Single Race) wirst du die Läufe unterhalb deiner anaeroben Schwelle laufen müssen. Es ist also wichtig, wie deine pace zustande kommt bzw. welche Energiesysteme du benutzt um deine Race Pace zu erreichen. Je weniger Kohlenhydratanteil, desto besser. Ich würde weder spezifisch für mehr Laktatbildung noch gegen die Laktatbildungsrate trainieren (wie es oft beim Triathlon gemacht wird).
Du brauchst eine gewisse Fähigkeit, Energie über Kohlenhydrate bereitzustellen damit du die kraftbasierten Stationen (Sleds,…) effizient bewältigen kannst, aber im Gegensatz zu Triathlon ist die Race-Dauer ist nicht so lang, als dass deine Glykogenspeicher zum leistungslimitierten Engpass werden.
Laktat an sich ist nicht das Problem. Aber mit dem Laktat sammeln sich Wasserstoff-Ionen die für einen sinkenden pH-Wert der Zelle sorgen. Das führt früher oder später zur Ermüdung.
4. Weniger ist mehr – aber gezielter
Viele machen zu viel – aber nicht zielgerichtet genug. Für HYROX gilt:
Du brauchst weniger Krafttraining, als du denkst.
Aber jeder Satz muss sitzen.
Denn jeder überflüssige Satz schafft überflüssige Ermüsung und kostet dich damit mehr Erholungszeit. Das reduziert deine Kapazität für effektives Ausdauertaining und im HYROX ist die Ausdauer immer noch der entscheidende Faktor. Auch hier gilt: Der Grenznutzen sinkt – irgendwann bringt dir ein zusätzlicher Satz nichts mehr oder schadet sogar.
Fazit:
Krafttraining ist essenziell für deine HYROX-Leistung – aber nur, wenn es funktionell, spezifisch und dosiert eingesetzt wird. Es soll dir helfen, effizienter zu laufen, Verletzungen vorzubeugen und mit einem Kraftüberschuss ins Rennen zu gehen.
Wer aber denkt, er müsse „einfach nur stark“ sein, wird schnell ausgebremst. Setze auf neuromuskuläres Training, vermeide unnötigen Muskelaufbau – und optimiere jede einzelne Einheit. Denn im HYROX zählt nicht, wer die meiste Muskelmasse hat, sondern wer am effizientesten mit seiner Energie haushalten kann.